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Rede von Prof. Hans K. Schlegel zur Ausstellungseröffnung im Museum am Widumhof, Urbach am 11.06.2006

‚‚Ich male, um mir meine Welt zu schaffen. Ich habe das Bedürfnis mir Wände aus Bildern zu schaffen. Mit diesen selbstgeschaffenen Bildern entsteht ein Raum. Diese Bilder sind zugleich mein Lebensraum.’’
Mit diesen selbstverfassten übergeordneten Worten von der Malerin Jasmin Kosel kommen wir zu ihr selbst. Sie lebt in Fellbach, hatte dort im Januar 2005 im Kunstverein Fellbach die letzte Einzelausstellung und plant für das Jahr 2007 eine nächste Ausstellung im Museum der Stadt Waiblingen.
Sie hat in Stuttgart an der Staatlichen Akademie der bildenden Künste bei den Professor/innen Groß, Mansen und Güdemann studiert und ist Mitglied im Verband bildender Künstler Württemberg, Region Rems Murr.
Lassen Sie mich zunächst der Frage nachgehen: Wie entsteht ein Bild? Am Anfang steht die Idee, dann folgt die Materialisierung, einerlei ob es sich um ein Tafelbild oder um ein Wandbild handelt.
Bei einem Wandbild, der frühen Form von Bild, wird der architektonische Raum in seiner Mitteilung, in seiner Botschaft ergänzt und erweitert. Denken sie dabei etwa an die frühchristlichen Mosaiken in Ravenna oder an die Wandbild-Fresken der Arena-Kapelle in Padua von Giotto.

Der Ausgangspunkt zum Bild liegt hier in diesem Raum, in dem mittelalterlichen Widumhof in Urbach ganz anders. Jasmin Kosel reagiert mit Formen und Farben auf den spezifischen Raum, auf den konstruktiven Raum mit seinem Fachwerk-Charakter, mit seiner ausgeriegelten Wand, welche mit grauer Schlämme überarbeitet ist. Sie reagiert auf einen Raum , in dem eine nicht ausgeriegelte durchsichtige Fachwerk-Trägerwand in der Mitte des Raumes steht. Gegenüber einer überputzten flächigen Wand mit zwei Türen.

Als Denkansatz gestaltet sie den Raum nicht allegorisch, bildhaft ergänzend, sondern sie bringt effektiv Reales und Bildhaftes in zwei Ebenen über Fensteröffnungen zusammen zur Bildentstehung. Sie geht mit System an die Arbeit. Sie tastet sich an den vorhandenen realen Raum heran. Sie analysiert, hinterleuchtet, setzt sich mit diesem Raum auseinander. Dieses Analysieren, diese Bestandsaufnahme bezieht sich einerseits auf die konstruktive Seite, auf die Stützen, auf die Streben, auf die Ausriegelung dieser konstruktiven Gegebenheiten. Diese verwendet sie als bildnerisches konstruktives Gerüst für ihre Bildkomposition.

Ihr Suchen nach Bestandsaufnahme setzt sich fort im farbigen Fliesen-Charakter des Bodens. Aus diesem keramischen Farbeindruck entwickelte sich ein erweitertes Farbkonzept. Aus der Gleichheit wird die Farbfamilie, wird die komplementäre Farberweiterung dazu gesetzt, weiter dynamisiert und fleckhaft aufgelöst.
Dieser Vorgang wird im Entwurf vorgeplant, durchdacht und durch Entwurfsskizzen – auch hier in der Ausstellung – nachvollziehbar gemachte Realisierung. Diese untersuchende Vorarbeit wird in die reale 1:1 Komposition mit aufgenommen. Es entstehen sieben Feldteile auf Rahmen nebeneinander, jeweils mit einem Fenster versehen.
Die gemalten konstruktiven Balken geben dem gesamten Bild Kraft und kommpositionelle Stabilität. Die gemalten Balken sind weiter differenziert durch, mit dem Grund maltechnisch verbundenen Schnüren, welche die Balkenformen grafisch und räumlich weiter präzisieren. Zwischen diesen Fachwerkfeldern wird eine dynamisch fleckhafte Farbabwicklung eingebracht, welche das statische Gefüge kommpositionell aktiviert und malerisch dynamisiert. Es entsteht im Bild eine horizontale Abwicklung, ein FARB-RAUM-BILD.

In die einzelnen Rahmenteile sind Fenster ausgeschnitten, welche den optischen Zugang zu der grauen Balkenrealität ermöglichen. Der geistige Ansatz ist: Illusion und Realität verbinden sich miteinander und nebeneinander. Dies ist der eigentliche originelle künstlerische Akt, die Bilderfindung, die Reaktion auf diesen Raum; es ist eine gelungene spirituelle Bild-Idee der Malerin Jasmin Kosel. Sie ist inspiriert von der Architektur und der Farbe dieses Ausstellungsraumes. Fenster- und Türausschnitte haben es ihr angetan. Diese beziehen sich auf die Wahrnehmung des effektiven Raumes, des Farbraumes und auf die verschiedenen Ebenen der Durchdringung mit ihren komplexen optischen Reizen.

Auf der Einladungskarte lassen sich die verschiedenen Fensterwirkungen in ihrem optischen Verhalten deutlich nachvollziehen: Der blaue Grund mit gekreuzten roten Linienbalken steht hinter der weißen Fläche. Die weiße Fensterfläche liegt vor diesen Balken, obwohl der Fensterausschnitt einen Durchblick suggeriert. Es entsteht eine optische Doppelwirkung.

Anders auf der Innenseite der Karte: Der dunkel orangefarbene, dynamisch gestaltete Farbraum schiebt sich nach vorn, und der harte Türausschnitt gibt den Blick frei in die architektonische Öffnung.
Jasmin Kosel selbst sagt: ‚Meine Bilder enthalten Tür- und Fensterausschnitte. Durch sie soll die Leinwand als Wand definiert und verstanden werden. Warum ich so eine starke räumliche Präsenz anstrebe, ist das Bedürfnis mich über das Gefühl hinaus physisch in das Bild zu begeben. Meine Schöpfungen sollen betreten werden können.’
Soweit die eine, mehr statische Seite des Raumes.

Die andere Seite steht in spannungsvoller, auflockernder Kraft gegenüber: Vier Einzelbilder mit Tür- und Fensterausschnitten signalisieren dynamisch fleckhaft Blick- und Bildpunkte. Die bildnerische Bearbeitung sucht hier spannungsgeladen instabile Verhältnisse im Bildraum, im Gegensatz zur gegenüberliegenden Wand. Das spontane kraftvolle Setzen der Farbflecken wird hier unmittelbar und gekonnt eingesetzt.
Wir erkennen in dieser raumbezogenen bildnerisch-künstlerischen Stellungnahme eine gründliche Vorbereitung mit Tiefgang, ein Nachdenken, sich Versenken und ein prozesshaftes, überzeugendes Arbeiten. Eine unverwechselbare spezifische Antwort auf diesen Raum im Widumhof.
Jasmin Kosel arbeitet analytisch und gezielt. In diesem Zusammenhang ist es interessant, wie sie sich und ihre Arbeit selbst sieht, wenn sie sagt, sie habe das Bedürfnis sich physisch in das Bild hinein zu begeben. Ein Raum kann betreten und physisch erfahrbar werden. So wünscht sie sich auch das Eintreten in ihre Bilder mit ihren Öffnungen, Türen und Fenstern. Auch mit ihren Schnurelementen im Bild. So, wie wir über die Kunst in andere Denkwelten einsteigen, in die man alleine nicht einsteigen könnte. Sie will durch das Bespielen des Ausstellungsraumes durch Kontaktnahme, dass ihre Schöpfungen betreten werden können. Sie bezeichnet ihren Raum als FARB-RAUM, indem sie den effektiv realen Raum über die Farbe in einen anderen Raum - auch spirituell gemeint - verwandelt.
Ich wünsche Jasmin Kosel in ihrer künstlerischen Arbeit weitere Einblicke mit Tiefgang und Erfolg, im Vordringen und Verzahnen von Realem und Artistischem, von Dinglichem und Visionärem, durch Türen und Fenster weitere Öffnungen zum Spirituellen Raum herzustellen.

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